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Königsheil und Adel
Der ursprüngliche Glaube der Franken vor der Christianisierung ähnelte dem der anderen germanischen Stämme. Die Christianisierung der Franken begann Anfang des 6. Jahrhundersts (Chlodwig wurde als erster fränkischer König 498/499 getauft), die iroschottische Mission kam erst ab 600 richtig in Fahrt, und Klöster und Abteien breiteten sich erst anschließend allmählich aus (z.B. Abtei Tholey 634, Prüm 7211). In abgelegenen Gegenden – selbst im fränkischen Kernland – dürfte deshalb neben dem offiziellen christlichen Glauben auch noch lange nach der Christianisierung so allerhand heidnischen bzw. abergläubischen Ritualen gefrönt (bis heute - siehe Weihnachten, Fastnacht und Ostern, oder sogar noch Dankopfer) und heidnische Geschichten erzählt worden sein (z.B. über die Wodans Wilde Jagd - siehe auch Münchner Nachtsegen) - das nennt man Doppelgläubigkeit. So zeigt der Grabstein von Niederdollendorf (irgendwann zwischen 550 und 700) auf der einen Seite einen fränkischen Krieger, der sich für die Schlacht (Walhall) fertig macht und auf der anderen Seite Jesus mit einer Lanze (siehe https://docplayer.org/34788693-Der-fraenkische-grabstein-von-niederdollendorf.html). Sogar noch am Ende des siebten Jahrhunderts waren Angehörige des Hochadels noch keine "lupenreinen Christen", was man am Würzburger Herzog Gosbert in der Sage vom Hl. Kilian sehen kann (Gosbert verehrt offenbar noch eine Göttin Diana, was die lateinische Umschreibung von Frija ist). Laut https://rp-online.de/nrw/staedte/rommerskirchen/heidnische-braeuche-hielten-sich-lange_aid-17291445 verbreitete sich der christliche Glaube in der Oberschicht schneller als in der breiten Bevölkerung, und so wundert es nicht, dass es Grabbeigaben im fränkischen Kernland (z.B. Lay/Mosel und Krefeld-Gellep) noch bis zur Mitte des 8. Jahrhundert hinein gab, die auf keine christliche Praxis sondern heidnische Bestattungsrituale deuten (siehe auch https://www.academia.edu/49034629/Das_fr%C3%A4nkische_Gr%C3%A4berfeld_von_Koblenz_Lay und https://www.academia.edu/101802663/Anfang_und_Ende_der_Reihengr%C3%A4berfelder_Der_Wandel_von_Bestattungsformen_zwischen_Antike_und_Mittelalter). Und auch im achten Jahrhundert hatte der alte Glaube auf jeden Fall in Hessen - also in der Nähe des fränkischen Kernlands - noch Anhänger, weshalb Bonifatius hier 723 die Donareiche fällte (siehe auch hier2). Sagen über die alten Götter überdauerten scheinbar auch die Christianisierung - z.B. überliefert der Langobarde Paulus Diaconus um das Jahr 800 herum eine Sage über Wodan und Frija (auch Frea/Friia, von den Nordgermanen Freya genannt). Wie lange nach einer Christianisierung noch am alten Glauben festgehalten wird, sieht man bei den Sachsen, die Ende des 8. Jahrhunderts missioniert wurden aber noch 843 im Stellingaaufstand massiv für ihren alten Glauben kämpften.
Ein kleines interessantes Detail von hier3: Einige Versionen der altdeutschen Pferdesegen zeigen, dass die germanischen Götter Wuodan in St. Michael (dieser Artikel erklärt, dass beiden sehr ähnliche Eigenschaften zugesagt wurden: http://www.monarchieliga.de/index.php?title=Wodan_und_Michael; und auf dem Heidelberger Heiligenberg wurde das Michaelskloster auf einem Wuodan-Heiligtum (Mercurius Cimbrianus) gebaut - siehe Wikipedia) und Fol in St. Stefan aufgegangen sind, während Donar im Heiligen Petrus weiterlebt, der ja noch heute für das Wetter zuständig ist. Und viele Eigenschaften von Maria, der Muttergottes, sind gleich zu denen von Frija (http://www.zeno.org/Goetzinger-1885/A/Freia,+Fria,+Frigg). Im Mittelalter wurde im Allgemeinen auch nicht der Name Maria verwendet, sondern unsere (liebe) Frau. Und interessanterweise bedeutete Frau damals "Herrin" (im Gegensatz zu "Weib") und besitzt dieselbe Wortwurzel wie Frija.
Aber lokal können die Götter auch durch andere Heilige ersetzt worden sein. Die christlichen Heiligen boten den Germanen bei der Missionierung also einen willkommenen Ersatz für ihre verlorengegangenen Götter. Das Ergebnis kann man dann beispielsweise in den Trierer Segens4 Sprüchen sehen: der germanische Gott eines Zauberspruchs wurde durch einen Heiligen ersetzt und aus dem Zauberspruch wurde ein Segensspruch https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/mythen-aamp-wirklichkeiten-mainmenu-288/aberglaube-mainmenu-294/24168-das-saarland-mythen-und-legenden-teil-53. In anderen Fällen konnten die alten Götter aber auch zu folgendem umgedeutet werden:
- Magier https://de.wikipedia.org/wiki/Magie#Germanische_und_altnordische_Magie; siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Nine_Herbs_Charm
- Geist, z.B. der Berggeist Altvater. Auch Frau Holle gehört hierzu: sie wurde um 1000 erstmals urkundlich als "Gestalt" erwähnt (im Liber decretorum des Burchard von Worms). Es gibt mehrere Orte, zu denen Menschen hinpilgerten, um ihre Huld zu erfahren (Frau Holle bedeutet nämlich nichts anderes als Huldvolle), z.B. bei unerfülltem Kinderwunsch zum Quellheiligtum Amorsbrunn. Sie wird häufig als christianisierte Version von Frija interpretiert und tritt auch häufig in Verbindung mit der Muttergottes Maria auf, z.B. steht am Amorsbrunn eine Marienkapelle. Also zeigt sich auch hier die Kontinuität Frija / Frau Holle -> Maria. Dazu ein sehr guter Spiegel-Artikel: https://www.spiegel.de/spiegel/maerchen-forscher-suchen-die-wahre-frau-holle-a-1142418.html
- Teufel https://www.projekt-gutenberg.org/henning/teufel/chap006.html
Das Beispiel zeigt, dass die Christianisierung nicht schlagartig ablief und die Germanen unmittelbar ihrem alten Glauben abschworen, sondern dass beide Glauben zumindest noch unterschwelig eine Weile nebeneinander her existierten (bei den Skandinaviern dauerte dieser Prozess vom 10. bis ins 13. Jahrhundert - siehe auch hier: http://www.suehnekreuz.de/VA/aufsaetze10.html). Zu offen durfte das Heidentum dabei vermutlich nicht gezeigt werden, weil die Kirche (und damit auch die mit ihr eng verbundenen Herrscher, s.o.) den alten Glauben streng verfolgten. So wurde dann aus altem Glauben eben ein am Küchentisch gelebter Aberglaube. Aus dem Sammeln von Kräutern für heidnische Zauber wurde so ab dem 8. Jahrhunder vielleicht die Kräutersegnung an Mariä Himmelfahrt https://www.mdr.de/religion/religion/wo-ist-mariae-himmelfahrt-feiertag-datum-ursprung-bedeutung-brauchtum-102.html. Die gesammelten Kräuter wurden wiederum als magischer Schutz im Haus oder Stall aufgehängt.
Die Kirche nutzte Elemente des alten Glaubens sogar teilweise noch aus: so wurden gerne Kirche / Kapellen auf ehemaligen heidnischen Weiheplätzen / Heiligtümern errichtet (z.B. auf dem Walberla bei Forchheim https://www.schlaifhausen.com/walberla/kultur/walburgiskapelle/), und die Verehrung von Heiligenreliquien war auch deshalb so beliebt und wurden von der Kirche befördert (z.B. durch Germanus von Paris), weil sie die magischen Traditionen des alten Glaubens fortführten, also Wunder (= Zauber) ermöglichten. Und sogar die Kirchweihen könnten einen heidnischen Hintergrund haben, nämlich die rituellen Besäufnisse der Germanen (https://kreuzau.de/wohnen-leben/siedlungsgeschichte/Anhang_16b.pdf und https://www.katholisch.de/artikel/31649-nicht-nur-ein-kirchliches-fest-brauchtum-am-kirchweihtag) zum herbstlichen Ernte- und Opferfest. Lustigerweise gab sogar der Papst Gregor I einem (vermutlich fränkischen) Abt Mellitus die Anweisung (in der "Epistola ad Mellitum"), bei der Christianisierung der Angelsachsen um 600 die germanischen Feste in christliche Feste zu überführen, um die Christianisierung zu beschleunigen. Dadurch auch noch jede Menge andere vermeintlich christliche Feste auf ursprünglich germanische zurück https://www.pz-media.it/inhalt/kulturunterhaltung/1122-germanische-kultur-im-jahreslauf-das-erbe-unserer-vorfahren_ausg-25-2015.html. Und es gibt auch Theorien, dass der im Rheinland übliche Begriff God/Godi für die Patentante vom germanischen goþe für Priesterin stammt https://saecula.de/wp-content/uploads/2015/10/Saecula-03_Paten.pdf.
Wie man aus dem altsächsischen Heliand-Epos über das Leben und Wirken Christi erkennen kann, wurden viele germanische Vorstellungen dem gerade missionierenden Christentum übergestülpt: So ist Jesus kein armer und erbarmungswürdiger Mensch sondern ein mächtiger Anführer, dessen Jünger einer germanischen Gefolgschaft entsprechen. Die Bergpredigt hält er von einem Königsstuhl aus, und alle Eigenschaften und Aspekte, die auf eine Schwäche oder Nachgiebigkeit Jesu deuten, werden umgeschrieben zu starken und mächtigen Dingen. Offensichtlich war es einfacher, die zu missionierenden Germanen für einen starken und mächtigen Heerkönig Jesus zu gewinnen als für den eigentlichen christlichen Jesus mit seiner Maxime der Nächstenliebe und der Vergebung. Dazu passen auch die wenigen bisher in Mitteleuropa gefundenen Kreuzesdarstellungen des Frühmittelalters. Im Gegensatz zur Ostkirche, wo Jesus als ausgemergelter und bemitleidenswerter Mensch am Kreuz hängt (siehe zum Beispiel das Wikinger-Kruzifix von Gotland), ist Christus am Merowinger-Kreuz von Moselkern nicht tot, sondern er umfasst es mit seinen Armen wie ein Vater - er ist der Erlöser. Diese Botschaft sollte den Germanen nahegebracht werden (siehe auch den oben genannten Grabstein von Niederdollendorf mit Christus als mächtigem Krieger).
Alle diese Anpassungen der christlichen Außendarstellung an das zu missionierende Volk nennt man Akkomodation; im oben beschriebenen Fall wird sogar von einer Germanisierung des Christentums gesprochen. Man darf sich deshalb die frühmittelalterliche mitteleuropäische Kirche nicht wie die heutige vorstellen - seitdem ist eine deutliche Angleichung der Sitten über die gesamte Christenheit erfolgt.
Übrigens könnte die ganz oben genannte göttliche Herkunft der merowingischen Könige möglicherweise nicht vom christlichen Gott abstammen sondern von einem germanischen Gott (obwohl sie ja nach Chlodwig alle Christen waren). So stammen die angelsächsischen Könige alle entweder von Wodan oder von Saxnot ab. Übrigens wird das noch in Chroniken am Ende des 9. Jahrhunderts so geschrieben (https://en.wikipedia.org/wiki/Anglo-Saxon_royal_genealogies), wobei Wodan inzwischen vom Gott zum Urkönig umgedeutet wurde - womit man sieht, wie stark heidnische Einflüsse auch auf höchster Ebene in einem schon lange christianisierten und sehr romtreuen germanischen Volk blieben.
Fundstücke
Folgende Punkte fand ich interessant, möchte sie aufheben und ggf. noch irgendwo einarbeiten
- Vater unser-Gebet, 8. Jahrhundert, Mittelrhein (https://docplayer.org/34788693-Der-fraenkische-grabstein-von-niederdollendorf.html):
Fater unser, thu in himilom bist,gewihit si namo thin, quaeme richi thin,uverdhe uvilleo thin samo so in himile endi in erthu.Broot unsaraz emizzigaz gib uns hiutu,endi farlaz uns sculdi unsero,sama so uvir farlazzen scolum unserem,endi ni geleidi unsih in costungaauch arlosi unsi fona ubile.
- Im vorchristlichen germanischen Glauben gabe es Alben/Elfen zweier Sorten, was für Larp-Rollenspieler interessant sein könnte, die diesen auf einer Con begegnen: Lichtalben, die als edel und gut bekannt waren, und Schwarzalben = Zwerge, die als etwas verschlagen und habgierig angesehen wurden. Den Alben wurde auch von den Menschen Opfer gebracht. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Elfen
- Weiterhin gab es z.B. auch Wesen der Art Durs/Duris/Thuris, die wohl eine Art Riesen oder großer Troll waren. Dieses Wort könnte man deshalb z.B. für Orks auf einer Con anwenden. https://ewa.saw-leipzig.de/articles/duris/de#duris und http://www.koeblergerhard.de/as/4A/as_th.html (unter "thuris" nachschlagen)
- Die Wikis vom Großen Heer verwenden aber das Wort "Schrat" für die Orks. Auch das ist ein historisch verbürgtes Wort für ein ungeheuerliches Wesen. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Schrat
- ⎗ Wikipedia-Klosterliste : https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Kl%C3%B6stern_(chronologisch)
- ⎗ Bonifatius : https://www.deutschlandfunk.de/vor-1-300-jahren-wie-bonifatius-die-germanen-bekehren-sollte.871.de.html?dram:article_id=448698
- ⎗ Wikipedia-Südgermanische Gottheiten : https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdgermanische_Gottheiten
- ⎗ Trierer Segenssprüche : https://althochdeutsch.fandom.com/de/wiki/Trierer_Segensspr%C3%BCche
Dort steht, dass der Zauberspruch altsächsisch sei, aber auf https://de.wikipedia.org/wiki/Althochdeutsche_Literatur steht weiter unten, dass es ggf. altrheinfränkisch ist.