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Bildinfos
- Bild 1: Karte mit Gauen und Herzogtümern - allerdings im Jahr 1000 und somit nach der hier beschriebenen Epoche; das sehr hoch aufgelöste Original kann man hier anschauen: Gustav Droysen, Public domain, via Wikimedia Commons
Königsheil und Adel
Im folgenden möchte ich kurz auf ein Detail eingehen, das ich sehr interessant finde, obwohl es für Histo-LARP eher unwichtig ist: das Königsheil. Die Frage dahinter ist: wie erreichten es die fränkischen Könige, dass das Volk ihre Autorität anerkannte und ihren Entscheidungen folgte. Selbstverständlich ist das nicht, waren doch die Germanen ursprünglich ansatzweise demokratisch organisiert: die Freien wählten zu Kriegszeiten ihren Herzog (Heerführer), der aber nach dem Feldzug seine Macht wieder verlor. In Friedenszeiten regelten die Freien ihre Angelegenheiten mehr oder weniger durch Mehrheitsentscheid (Thing). Wie schafften es also die fränkischen Könige, dauerhaft ihre Macht zu legitimieren?
Ein Teil der Erklärung ist sicher, dass die fränkischen Könige ihre Herrschaft als von Gott gegeben vermittelten. Die merowingischen Könige standen dabei nicht nur Gott besonders nahe, sondern sie hatten angeblich tatsächlich etwas göttlich an sich – das war ein gutes Argument, damit die untertänigen Franken nicht lange über Gefolgstreue rumdiskutieren, und dabei half auch sicher der zentral organisierte Glaube des Christentums. Die Kirche legitimierte diese weltliche Herrschaft offiziell durch den Papst (und umgekehrt hielt der König seine schützende Hand über die Kirche) – wieder ein Beispiel für die immerwährende Verquickung von Religion und Politik. Es hieß, durch seine Verbindung mit Gott bringe der König dem Volk die Gunst Gottes und somit das Glück – in anderen Worten das „Heil“. Das Göttliche im König wird deshalb als Königsheil bezeichnet – der Überlieferung nach war die göttlich-königliche Macht im Haupthaar des Königs beheimatet.
Und irgendwie schaffte es dieses Königsheil, rechtzeitig in die Haare der Nachkommenschaft umzuziehen, wenn der Nachfolger König wurde ;-). Allerdings funktionierte das nur durch Vererbung innerhalb der Merowinger-Dynastie.
Als Pippin der Jüngere (Sohn von Karl Martell und Vater von Karl dem Großen) die Merowinger entmachtete, ließ er dem letzten merowingischen König das Haupthaar komplett abscheren – Königsheil perdu! An dessen Stelle ließ er sich vom Papst zum fränkischen König salben, der erklärte, Pippin sei König von Gottes Gnaden. Das Gottesgnadentum war leider nicht ganz so mystisch wie das Königsheil, aber dennoch eine ganz komfortable Machtposition. Allerdings gab es in den folgenden Jahrhunderten dann doch öfters Diskussionen mit dem Adel, ob der Königstitel – Entschuldigung: die Gnade Gottes – einfach vererbt werden könne, oder ob der Adel bei der Wahl des Königs ein Wörtchen mitzureden hätte.
Hier gibt es interessante Infos über die Entstehung der germanischen Reiche und des europäischen Hochadels (der großteils auf fränkischem Uradel basiert): https://vanaland.wordpress.com/antike-geschichte/vom-volk-zu-volkern/ursprung-des-europaischen-adels/
Organisation des Reiches
Das Fränkische Reich war damals in Gaue1unterteilt (siehe auch Info unten). Diese wurden jeweils von einem Gaugrafen geführt, der vom König sozusagen als sein Verwaltungsbeamter dort eingesetzt wurde. Das Grafentum war erst einmal nicht erblich. Meist kamen aber hier Mitglieder der dünnen fränkischen Oberschicht zum Einsatz, die wiederum durch Geburt adelig waren. Teilweise war das Grafenamt aber auch in Personalunion gleichzeitig ein Bischof. Eine Ebene darüber gab es Herzogtümer - z.B. für die eroberten Volksstämme Alemannen, Thüringer, Baiern, Sachsen, und auch Burgund. Der Herzog heißt so, weil er einen Teil des Heers befehligte.
Glauben
Der ursprüngliche Glaube der Franken vor der Christianisierung ähnelte dem der anderen germanischen Stämme. Die Christianisierung der Franken begann Anfang des 6. Jahrhundersts (Chlodwig wurde als erster fränkischer König 498/499 getauft), die iroschottische Mission kam erst ab 600 richtig in Fahrt, und Klöster und Abteien breiteten sich erst anschließend allmählich aus (z.B. Abtei Tholey 634, Prüm 7212). In abgelegenen Gegenden – selbst im fränkischen Kernland – dürfte deshalb neben dem offiziellen christlichen Glauben auch noch lange nach der Christianisierung so allerhand heidnischen bzw. abergläubischen Ritualen gefrönt (bis heute - siehe Weihnachten, Fastnacht und Ostern, oder sogar noch Dankopfer) und heidnische Geschichten erzählt worden sein (z.B. über die Wodans Wilde Jagd - siehe auch Münchner Nachtsegen) - das nennt man Doppelgläubigkeit. So zeigt der Grabstein von Niederdollendorf (irgendwann zwischen 550 und 700) auf der einen Seite einen fränkischen Krieger, der sich für die Schlacht (Walhall) fertig macht und auf der anderen Seite Jesus mit einer Lanze (siehe https://docplayer.org/34788693-Der-fraenkische-grabstein-von-niederdollendorf.html). Auch im achten Jahrhundert hatte der alte Glaube auf jeden Fall in Hessen - also in der Nähe des fränkischen Kernlands - noch Anhänger, weshalb Bonifatius hier 723 die Donareiche fällte (siehe auch hier3). Sagen über die alten Götter überdauerten scheinbar auch die Christianisierung - z.B. überliefert der Langobarde Paulus Diaconus um das Jahr 800 herum eine Sage über Wodan und Freya. Wie lange nach einer Christianisierung noch am alten Glauben festgehalten wird, sieht man bei den Sachsen, die Ende des 8. Jahrhunderts missioniert wurden aber noch 843 im Stellingaaufstand massiv für ihren alten Glauben kämpften.
Ein kleines interessantes Detail von hier4: Einige Versionen der altdeutschen Pferdesegen zeigen, dass die germanischen Götter Wuodan in St. Michael und Fol in St. Stefan aufgegangen sind, während Donar im Heiligen Petrus weiterlebt, der ja noch heute für das Wetter zuständig ist. Aber lokal können die Götter auch durch andere Heilige ersetzt worden sein. Die christlichen Heiligen boten den Germanen bei der Missionierung also einen willkommenen Ersatz für ihre verlorengegangenen Götter. Das Ergebnis kann man dann in den Trierer Segens5- (nicht mehr "Zauber-") Sprüchen sehen. Das Beispiel zeigt, dass die Christianisierung nicht schlagartig ablief und die Germanen unmittelbar ihrem alten Glauben abschworen, sondern dass beide Glauben zumindest noch unterschwelig eine Weile nebeneinander her existierten (bei den Skandinaviern dauerte dieser Prozess vom 10. bis ins 13. Jahrhundert - siehe auch hier: http://www.suehnekreuz.de/VA/aufsaetze10.html). Zu offen durfte das Heidentum dabei vermutlich nicht gezeigt werden, weil die Kirche (und damit auch die mit ihr eng verbundenen Herrscher, s.o.) den alten Glauben streng verfolgten. So wurde dann aus altem Glauben eben ein am Küchentisch gelebter Aberglaube.
Die Kirche nutzte Elemente des alten Glaubens sogar teilweise noch aus: so wurden gerne Kirche / Kapellen auf ehemaligen heidnischen Weiheplätzen errichtet (z.B. auf dem Walberla bei Forchheim), und die Verehrung von Heiligenreliquien war auch deshalb so beliebt und wurden von der Kirche befördert (z.B. durch Germanus von Paris), weil sie die magischen Traditionen des alten Glaubens fortführten, also Wunder (= Zauber) ermöglichten.
Fundstücke
Folgende Punkte fand ich interessant, möchte sie aufheben und ggf. noch irgendwo einarbeiten:
- Die Einwohnerzahl eines durchschnittlichen Gaus schätze ich auf 10-20.000. Begründung: Wenn man im germanischsprachigen Teil des Frankenreiches von einer Bevölkerungsdichte von 4-5 Einwohnern pro km2 ausgeht (https://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%A4nkisches_Reich), dann wären das auf der Fläche des heutigen Rheinland-Pfalz 80-100.000 Einwohner. Geteilt durch ca. 10 Gaue auf dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz (sind nicht deckungsgleich mit den heutigen Grenzen) kommt man auf ca. 8-10.000 Einwohner pro Gau. Allerdings war ja das heutige Rheinland-Pfalz damals eines der Kernländer der Franken, also vermutlich mit einer überdurchschnittlichen Bevölkerungsdichte (z.B. entlang von Rhein und Mosel) und deshalb möglicherweise 10-20.000 Einwohnern pro Gau. In den Siedlungsgebieten (z.B. am Main) und Grenzmarken (z.B. im Osten) war die Bevölkerungsdichte sicher geringer, aber dafür waren auch die Gaue größer, was also in einer ähnlichen Einwohnerzahl resultieren sollte.
- Vater unser-Gebet, 8. Jahrhundert, Mittelrhein (https://docplayer.org/34788693-Der-fraenkische-grabstein-von-niederdollendorf.html):
Fater unser, thu in himilom bist,gewihit si namo thin, quaeme richi thin,uverdhe uvilleo thin samo so in himile endi in erthu.Broot unsaraz emizzigaz gib uns hiutu,endi farlaz uns sculdi unsero,sama so uvir farlazzen scolum unserem,endi ni geleidi unsih in costungaauch arlosi unsi fona ubile.
- ⎗ Mittelalterliche Gaue : https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_mittelalterlicher_Gaue
- ⎗ Wikipedia-Klosterliste : https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Kl%C3%B6stern_(chronologisch)
- ⎗ Bonifatius : https://www.deutschlandfunk.de/vor-1-300-jahren-wie-bonifatius-die-germanen-bekehren-sollte.871.de.html?dram:article_id=448698
- ⎗ Wikipedia-Südgermanische Gottheiten : https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdgermanische_Gottheiten
- ⎗ Trierer Segenssprüche : https://althochdeutsch.fandom.com/de/wiki/Trierer_Segensspr%C3%BCche
Dort steht, dass der Zauberspruch altsächsisch sei, aber auf https://de.wikipedia.org/wiki/Althochdeutsche_Literatur steht weiter unten, dass es ggf. altrheinfränkisch ist.