In Kürze:
- gewölbter Rundschild mit spitzem Schildbuckel
- Selbstbau ist angesagt
- ich persönlich empfehle eine "ungleichförmige" Wölbung
Zum Vergrößern bitte auf das Bild klicken.
Bildinfos
- Bild 1: mein neuer selbstgebauter Schild und mein alter gekaufter, den jetzt mein Sohn hat
- Bild 2 bis 4: diesen Schild beschreibe ich auf dieser Seite
- Bild 5: mein alter Schild war nicht karolingisch genug: flach und mit rundem Schildbuckel (und sieht auch nicht besonders realistisch aus)
- Bild 6: fertiger Kern-Rohling - der scharfkantige Rand ist schon mit Leder abgepolstert
- Bild 7 und 8: mit Schaumstoff beklebt (man beachte auch die Spitze
- Bild 9 und 10: jetzt auch mit "Nietköpfen" und den Schlaufen für den Trageriemen
Mehr Details
Ein karolingischer Schild war rund – so weit – so gut. Allerdings unterschied er sich in zwei Punkten von ebenfalls runden Wikingerschilden: zum einen war er gewölbt1 und zum anderen war der Schildbuckel spitz2. Zumindest kann man das aus den Bild- und Fundbelegen ablesen. Auch schreibt der St. Gallener Mönch Notker Balbulus (über die Belagerung von Pavia 774), dass der Schild Karls des Großen ganz aus Eisen sei (Quelle). Das dürfte alleine schon wegen des Gewichts stark übertrieben zu sein. Andererseits steht in der Lex Ribuaria (siehe Sonstiges), dass Speer und Schild zusammen nur 2 Solidi kosten. All zu viel Metall konnte also bei so einem günstigen Schild nicht verwendet worden sein. Tatsächlich war der Schild wohl immer aus Holz3. Vermutlich gab es aufwändige (gewölbte) Schilde mit recht viel Eisenbeschlag (Buckel, Applikationen am Schildrand) und einfache, auch gerade Schilde, die eher im erwähnten Preisbereich lagen. Eiserne Schildnabelgestelle verzweigten4 teilweise an ihren Enden. Der Griff hatte einen ovalen Querschnitt (ist verdrehsicher und man hat ein Gefühl für die Pose des Schilds). Dazu war ein Trageriemen angebracht, am Besten mit Schnalle, um ihn eng schnallen zu können (und beim Tragen nix wackelt).
Die Schilde waren oft außen mit Leder (oder Leinen) und innen mit Leinen beschlagen https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/berrgk/article/view/76641. Die Schildkante war mit Rohhaut oder Leder verstärkt. Typische Schild-Durchmesser waren 60 bis 90 cm. Die Schilde waren häufig bemalt - ein außen sichtbares (ggf. aufgemaltes) eingedrehtes Strahlenmuster scheint typisch fränkisches Dekoelement5 gewesen zu sein. Als verwendete Farben wurden rot und blau nachgewiesen https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/berrgk/article/view/76641. Ein Schönes Bild einer Rekonstruktion ist hier zu sehen: https://www.projekt-deutschritter.de/schild-fruehmittelalter/.
Vereinzelt gibt es aber auch die Aussage, dass die Schilde ggf. leicht oval bzw. mandelförmig6 waren.
Und jetzt kommt erst einmal eine schlechte Nachricht: es gibt keine gewölbten LARP-Schilde zu kaufen. Wie auch bei meiner Schwertscheide muss man also hier selbst Hand anlegen.
Bei meinem Nachbau überlegte ich, welche Wölbung ich wählen sollte. Achtung, die folgenden Aussagen sind jetzt mal etwas Spekulation von mir: Ich kam schnell zu der Einsicht, dass der Radius in der Horizontalen kleiner sein sollte als in der Vertikalen – siehe Skizze. Dadurch umhüllt der Schild den Menschen besser, der ja im Regelfall auch höher als breit ist, ohne seine Bewegungsfreiheit unnötig einzuschränken (siehe dazu auch diese Illustration). Bei meinem Schild der Breite ca. 80 cm wählte ich als horizontalen Radius 70 cm (ca. Körperbreite) und vertikal 140 cm (ca. Körperhöhe). Diese "ungleichförmige" Wölbung für Karolinger-Schilde findet man im Internet nicht - hier wird stets von einer gleichmäßigen Wölbung in horizontaler und vertikaler Achse ausgegangen. Dabei stützen sich die Fachleute auf überlieferte Bilder sowie gefundene Schildbuckel. Aber erstens: wie wäre denn eine ungleichförmige Wölbung auf den Bildern dargestellt worden? Ich behaupte mal, dass die Bilder auch bei so einer Wölbung genauso aussehen würden. Und zweitens: die Schildbuckel sind durch ihren Aufenthalt in der Erde vielleicht sowieso verbogen worden - wie kann man daran ablesen, ob die Wölbung gleichmäßig oder leicht ungleichmäßig war? Gegen eine gleichmäßige Wölbung spricht, dass ein größerer Radius in der Vertikalen deutlich besser zu handhaben ist, und dass die Herstellung vermutlich genauso aufwändig wie bei einer gleichmäßigen Wölbung ist. Übrigens schreibt diese Quelle7von "ovalen" Karolinger-Schilden, was ja sogar etwas in die Richtung einer ungleichförmigen Wölbung gehen könnte.
Mein LARP-Schild sollte einen festen Kern erhalten, damit es nicht rumschlabbert. Ich entschied mich für einen Kern aus glasfaserverstärktem Kunststoff wie bei LARP-Waffen. Für den Schildbau erstellte ich zunächst eine Form aus Styropor. Diese enthält auch die Form für einen stumpfen Schildbuckel, der an der Basis einen Durchmesser von 16 cm hat. Damit hat man später ein Innenloch zum Greifen in den Buckel von 16 cm, was mehr als ausreicht und (incl. der aufgebrachten Polsterung) zu einem recht breiten Buckel führte. Der Schildbuckel sollte wegen der Verletzungsgefahr stumpf sein. Die Spitze habe später mit Schaumstoff realisiert. Die Form glättete ich mit Gips und brachte Trennmittel auf. Dann belegte ich die Form mit Glasfasermatten und tränkte sie mit Polyesterharz. Mit einer speziellen Walze sollte man das sofort glätten und alle Luftblasen herausdrücken. Damit hatte ich einen gewölbten Schildkern, der hyper belastbar ist. Auf diesem brachte ich dann eine Fessel / Griffstange auf (ich verwendete dafür mehrere Lagen aus 3mm-GFK-Stäben, um der Wölbung zu folgen, aber auch Holz wäre hier okay - laut Quelle8verzweigt sich diese Schildfessel auf beiden Seiten) und beklebte alles mit Schaumstoff (u.a. die erwähnte Spitze des Buckels). Die Schilde aus der Karolingerzeit hatten entweder eiserne oder hölzerne Schildfesseln; ich entschied mich für die Nachbildung einer hölzernen Fessel. Die sichtbaren Nieten (bzw. ihre Köpfe) sind Punkte, die mit Locheisen bzw. einem Büro-Locher aus 3mm-Schaumstoff hergestellt wurden. Den super Paintjob an meinem Schild machte Sander Propworx in Nürnberg. Ich war bei der Herstellung leider nicht ganz so gewissenhaft, wie ich es oben beschrieben habe, weshalb mein Schild-Rohling einige Dellen und Macken bekam (siehe Fotos). Jedoch machte Sander aus der Not eine Tugend und bemalte den Schild einfach im Used Look, so als ob er im Kampf verbeult worden wäre. Hat er super hinbekommen!
Noch was zur farblichen Gestaltung: die originalen Schilde waren damals oft mit Leder beschlagen (Quelle9- auch Leinen wurde benutzt). Andererseits sieht man auf einigen überlieferten Bildern mit Punkten versehene Spiralen auf der Schild-Vorderseite (diese Spiralen scheinen typisch fränkisch zu sein). Hier ist sich aber die Szene uneins, was das wohl ist. Die Punkte könnten evtl. als Nieten/Nägel interpretiert werden. Als ich meinen o.a. Schild baute, kannte ich mich noch nicht so gut mit den wissenschaftlichen Fakten zu den Karolingerschilden aus. Ich stellte die Spiralen deshalb als Stahlbänder dar, aber dafür gibt es keinerlei archäologische Funde. Damals hatte ich auch gehört, dass bei Wikingern Eisenbänder am Schildrand bekannt sind, weshalb ich meinen Schildrand ebenfalls aus Stahl darstellte. Allerdings ist mir inzwischen trotz späterer Recherche nur der "gestückelte Metallrand" aus Fig. 6 in http://members.ozemail.com.au/~chrisandpeter/shield/shield.html bekannt. Bei meinem nächsten Schild werde ich mich deshalb wohl an den allgemeinen LH-Konsens halten und nur aufgemalte Spiralen verwenden sowie an der Kante Rohhaut oder Leder anbringen (und zwar echtes und nicht nachgebildetes / gemaltes - sollte ja im LARP zulässig sein, oder)?
Ein paar schöne Bilder zu einem fertigen karolingischen Schild findet Ihr hier: https://www.projekt-deutschritter.de/schild-fruehmittelalter/, und hier viele Gedanken zum Bau und die einzelnen Schritte beim Bau eines solchen Schildes: http://www.tribur.de/blog/2022/11/18/schildbau-erfahrungen/ (viele Punkte sind auch für LARP-Schilde nützlich).
Übrigens sollte die Griffstange einen ovalen Querschnitt besitzen, damit der Schild verdrehsicher ist und man der Träger ein Gefühl für die Pose des Schild hat. Außerdem habe ich am Schildkern mit Schrauben zwei Lederschlaufen befestigt, durch die ich einen Trageriemen gezogen habe. Wie Ihr auf den Bilder seht, liegen die Schlaufen diagonal zur Griffstange - das finde ich sehr angenehm beim Tragen (Griffstange liegt längs zum meinem Rückgrat). Ich habe den Trageriemen zweigeteilt und schließe ihn mt einer Schnalle - entweder weit (beim Tragen, damit nix wackelt) oder eng (wenn ich das Schild in die Hand nehme).
Mein Schild wiegt 3,5 kg, so dass auch sein Handling einigermaßen realistisch wird (nicht so leicht, dass man unrealistisch schnell mit ihm reagieren kann, aber auch nicht zu schwer).
Nachdem mein Schild fertig war, kam mir die Idee, einfach ein gewölbtes Reenactment-Schild als Kern zu nehmen und zu bekleben (siehe Bezugsquellen unten).
Fundstücke
- Schönes Bild: https://www.projekt-deutschritter.de/schild-fruehmittelalter/
- Schilde waren hauptsächlich mit Leder bezogen (Vorder- und Rückseite), der Schildrand mit Leder oder Rohhaut. Aber es gab auch Funde, wo die Rückseite Leinen trug. Der Bezug mit Leder sorgte für eine deutlich bessere Robustheit insbesondere bei Pfeilbeschuss https://globe.ku.dk/staff-list/?pure=en%2Fpublications%2Fon-the-use-of-hide-in-germanic-shields-of-the-iron-age-and-viking-age(fb994bbc-33cb-494c-928f-84ae37061928).html
Bezugsquellen
Shops:
- Kerne für echte gewölbte Schilde https://reenactment-bedarf.de/
- sowie: https://ascarius.de/Gew%C3%B6lbte.html
- Leider flach, aber ansonsten sehr hübsch: Schild GastiR von Epic Armoury https://www.wyvern-larpshop.de/Rundschild-GastiR-blau-rot/IF23100350blau-rot
Schild-Eigenbau
- Vorbereitungen für die Schild-Positivform
- Schildbau erster Versuch (nicht erfolgreich, also vielleicht gleich zum zweiten Versuch weitergehen)
- Zweiter Versuch für die Schild-Positivform
- Laminieren eines Schildrohlings
- Mengen, Kosten und Zeiten für einen Schildrohling
- ⎗ Karolingisch-Fränkisch Schild : https://www.karolingisch-fraenkisch.de/waffen-r%C3%BCstung/waffen-r%C3%BCstungsteile/ (derzeit leider off-line)
- ⎗ Rundschild : https://mittelalter.fandom.com/de/wiki/Rundschild
- ⎗ Karolingisch-Fränkisch Schild : https://www.karolingisch-fraenkisch.de/waffen-r%C3%BCstung/waffen-r%C3%BCstungsteile/ (derzeit leider off-line)
- ⎗ Rundschild : https://mittelalter.fandom.com/de/wiki/Rundschild
- ⎗ Karolingisch-Fränkisch Schild : https://www.karolingisch-fraenkisch.de/waffen-r%C3%BCstung/waffen-r%C3%BCstungsteile/ (derzeit leider off-line)
- ⎗ Karolingisch-Fränkisch Schild : https://www.karolingisch-fraenkisch.de/waffen-r%C3%BCstung/waffen-r%C3%BCstungsteile/ (derzeit leider off-line)
- ⎗ Tempus Vivit Schild : https://www.tempus-vivit.net/bibliothek/buch/mittelalterliche-schildformen
- ⎗ Rundschild : https://mittelalter.fandom.com/de/wiki/Rundschild
- ⎗ Karolingisch-Fränkisch Schild : https://www.karolingisch-fraenkisch.de/waffen-r%C3%BCstung/waffen-r%C3%BCstungsteile/ (derzeit leider off-line)
- ⎗ Karolingisch-Fränkisch Schild : https://www.karolingisch-fraenkisch.de/waffen-r%C3%BCstung/waffen-r%C3%BCstungsteile/ (derzeit leider off-line)
- ⎗ Rundschild : https://mittelalter.fandom.com/de/wiki/Rundschild
- ⎗ Tempus Vivit Schild : https://www.tempus-vivit.net/bibliothek/buch/mittelalterliche-schildformen